Lebensgeschichten

Die Thematik Frauenhandel ist vielschichtig und komplex. Genauso vielschichtig sind auch die Lebenswege, Erfahrungen und Geschichten der betroffenen Frauen. Es gibt nicht den klassischen Weg in die Zwangsprostitution, in den Heiratshandel oder in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Oft bestehen Parallelen in den Erzählungen der Frauen, die auf bestimmte Vorgehensweisen der TäterInnen hinweisen, aber so individuell wie jede Frau, so individuell ist auch ihre Geschichte.

"Mir wurde gesagt, ich würde hinter einem Tresen einer Bar arbeiten."
Dina erhielt von einem Bekannten ihres Onkels das Angebot, bei gutem Lohn und unter Vergütung der Reisekosten als Bardame in Deutschland zu arbeiten. In Deutschland wurde sie am Busbahnhof von einem Mann abgeholt und direkt in sein Bordell gebracht

"Ich dachte, ich wüsste was da kommt."
In der Slowakei arbeitete Valentina schon ab und zu als Prostituierte. Sie sagte uns, dass die Art und Weise der Arbeit in der Slowakei sich sehr von der hier in Deutschland unterscheidet. Eine gute Bekannte hatte sie ermutigt, nach Deutschland zu kommen und hier als Prostituierte zu arbeiten. Gute Verdienstmöglichkeiten wurden ihr versprochen ...

"Thalea- und ihre Ehe in Deutschland"
Thalea lernt Herrn S. während seines Urlaubs in ihrem Heimatland kennen. Nach seiner Abreise stehen sie über längere Zeit in Briefkontakt. Irgendwann macht Herr S. Thalea einen Heiratsantrag. Die Ehe wird mit Zustimmung von Thalea geschlossen ...

"Nachher war ich Mädchen für Alles"
Mariana aus Georgien begann ihre Tätigkeit als Au pair in einer Familie in Schleswig-Holstein. Sie wurde überhaupt nicht eingewiesen, sondern musste sofort und ständig auf das kleinste Kind (unter einem Jahr) aufpassen, inklusive Nachtwachen ...

Mariana aus Georgien begann ihre Tätigkeit als Au pair in einer Familie in SchleswigHolstein. Sie wurde überhaupt nicht eingewiesen, sondern musste sofort und ständig auf das kleinste Kind (unter einem Jahr) aufpassen, inklusive Nachtwachen. Beide Gasteltern waren selten zu Hause. Mariana war auf sich allein gestellt, arbeitete täglich quasi rund um die Uhr und wurde auch zu schweren körperlichen Arbeiten herangezogen, welche nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörten. Der Kontakt nach Außen wurde ihr verboten mit dem Hinweis, dass es ein kleines Dorf sei und die Familie sehr angesehen – die Gasteltern würden sofort erfahren, wenn Mariana sich an Andere wende. Nach einer heftigen Auseinandersetzung und unzumutbaren Zuspitzung der Situation flüchtete Mariana aber doch und gelangte an eine Frau, die sie unterstützte und später contra einschaltete. Mariana traf sich mehrere Male mit der Beraterin von contra. Neben contra, wurde sie auch weiterhin von der Frau unterstützt. Später sagte Mariana gegen ihre Gastfamilie als Zeugin aus. Eigentlich wollte Mariana ein neues Au-pair-Verhältnis beginnen, aber die Ausländerbehörde verweigerte das. Nach drei Monaten wollte Mariana ausreisen, um ihr Studium in Georgien beginnen zu können, contra unterstützte sie dabei.

Wie kommen betroffene Frauen mit contra in Kontakt?

Eine Frauenberatungsstelle

Maria stand eines Tages in Begleitung einer Freundin in einer Frauenberatungsstelle in Schleswig-Holstein und bat darum, Papiere und Dokumente kopieren zu können. In einem Dokument war von Menschenhandel die Rede.Die Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle sprach Maria daraufhin an und bot ihr ein Gespräch an. Sie stellte ihr die Beratungsstelle contra vor – Maria wünschte ein Gespräch.Im Kontakt mit contra zeigte sich, dass Maria bereits ein Jahr zuvor Angaben bei einer Kripo in Schleswig-Holstein gemacht hatte, dass sie Opfer von Menschenhandel sei. Sie erfuhr damals nichts über contra. Das Verfahren wurde mangels Beweisen eingestellt. Maria stellte zu diesem Zeitpunkt mit Hilfe ihrer Freundin einen Asylantrag. Sie wurde in ein anderes Bundesland verteilt und kam dort in einem Frauenhaus unter. Auch dort wurde sie nicht auf eine Fachberatungsstelle hingewiesen. Die Information der Frauenberatungsstelle in Schleswig-Holstein über contra war also Ausgangspunkt für Maria, dass sie geeignet unterstützt werden konnte. Mittlerweile hat die schwerst traumatisierte Frau Zukunftsperspektiven entwickeln können.

Eine ehemalige Klientin von contra

Oksana ist in der Beratung von contra. Sie hatte telefonischen Kontakt zu einer Bekannten, der es genau so ergangen war ihr. Oksana erzählte ihrer Bekannten von contra und berichtete von ihren Erfahrungen. Sie schlug ihrer Bekannten vor, contra die Handynummer weiterzugeben, damit die Frau angerufen werden könne. contra rief die Frau mit Hilfe einer Dolmetscherin an. Ein Treffen wurde verabredet und im weiteren Kontakt konnte die Bekannte von Oksana ebenfalls unterstützt werden.

Eine Lehrerin

Eine Lehrerin aus Schleswig-Holstein rief bei contra an. Sie habe eine ehemalige Schülerin mit Migrationshintergrund, die ihr jetzt gestanden habe, dass sie in die Prostitution geraten sei und wieder aussteigen wolle. Jedoch würde sie von ihrem Zuhälter unter Druck gesetzt.Er setzte ihr eine Frist und verlangte von ihr, sich mit 20.000 € freizukaufen. Dann könne sie aussteigen. contra beriet sich (anonym) mit der Lehrerin, welche Schritte sie der Frau vorschlagen könne. Die Lehrerin engagierte sich sehr, die Frau zu ermutigen, mit contra Kontakt aufzunehmen. Die Frau sah jedoch nur einen einzigen Ausweg: das Geld zu zahlen. Sie schaffte es nicht, sich zu einem Kontakt mit contra oder wenigstens einer Rechtsanwältin zu entscheiden. Sie lieh sich das Geld von zwielichtigen Leuten, hat sich freigekauft und steckt nun in der nächsten Schuldenfalle. Da sie die Telefonnummer von contra hat, besteht die Chance, dass sie sich doch noch meldet.

Eine Ärztin

Anita kam in Abständen zu ihrer Hausärztin. Die Hausärztin hatte das Gefühl, dass Anita in ihrer Ehe mit einem Deutschen von Gewalt betroffen sei. Anita konnte sich nicht frei bewegen, nur zur Ärztin durfte sie unkontrolliert gehen. Die Ärztin wendet sich an contra und gemeinsam wurde die Situation besprochen. Danach stellte sie Anita das Beratungsangebot von contra vor und machte den Vorschlag , dass contra zu einem regulären Arzttermin kommen könnte und Anita dann über ihre Situation sprechen könnte. Anita willigte erleichtert ein – jemand hatte ihre Situation wahrgenommen und bot ihr Hilfe an. Im Beratungsgespräch vor Ort zeigte sich, dass Anita von Handel in die Ehe betroffen war. Das war der Ausgangspunkt dafür, dass contra die Frau unterstützen konnte.

Ein Freier

Ein Freier rief an und sagte, er habe Kontakt zu einer Frau, von der er den Eindruck habe, sie prostituiere sich nicht freiwillig. Er könne sich aber nur schwer mit ihr verständigen. contra besprach mit ihm, dass er der Frau beim nächsten Treffen einen Brief in ihrer Muttersprache geben könne. contra verabredete den Inhalt des Briefes und die Möglichkeiten der Unterstützung, falls die Frau dies wünscht. contra ließ den Brief übersetzen. Der Freier übergab ihn der Frau. Sie reagierte verhalten, nahm den Brief aber mit. Vielleicht meldet sich die Frau bei contra.

Eine Nachbarin

Eine Privatfrau aus Schleswig-Holstein meldete sich bei contra. Sie treffe ab und zu ein junges Mädchen, dass als Au Pair in einer Familie ihres Dorfes arbeite.Die Frau wirke jedes Mal sehr erschöpft und traurig und ließ durchblicken, dass sie rund um die Uhr arbeiten müsse und das nicht mehr aushalte. contra verabredete mit der Nachbarin, dass sie die junge Frau zum Kontakt mit contra ermutigt. Später fand ein Treffen zwischen contra und dem Au pair statt. Es zeigte sich, dass Olesja massiv ausgebeutet wurde und es auch bereits zu sexuellen Belästigungen gekommen war. Mit dem ersten Gespräch wurde es möglich, Olesja zu unterstützen.

Eine Hebamme

Bei einer Hebamme rief ein Mann an. Dieser fragte, ob er mit einer schwangeren Frau mal kommen könnte. Er wolle, dass die Frau untersucht würde, wie lange es noch ginge, dass sie Sado-MasoSex ausübt. Auf die Frage der Hebamme, ob sie die Frau sprechen könnte, meinte der Mann, sie könne kein Wort Deutsch. Bei diesem Beispiel standen alle Zeichen auf Frauenhandel in die Prostitution. Die Hebamme wendete sich daher zur Beratung, wie sie mit dieser Situation umgehen solle, an contra.

Eine polizeiliche Dienststelle

Eine Beamtin der Polizei rief bei contra an. Bei ihr hätte sich eine Frau gemeldet, die aus der Prostitution geflüchtet sei. Sie gaben ihr das Faltblatt von contra und die Frau wünschte Unterstützung. contra fuhr mit Dolmetscherin zu der Polizeidienststelle, sprach mit der Frau. Sie wollte Unterstützung von contra. Sie wurde sicher untergebracht und über einen langen Zeitraum beraten und unterstützt. Sie wollte auch gegenüber der Polizei als Zeugin Angaben zu dem Erlebten machen. Das Verfahren ist in der Vorbereitung.